31. August 2018

Artikel aus der Süddeutschen Zeitung von Carina Seeburg


Ein Hundecoach, der Herrchen trainiert
Wer geht hier mit wem Gassi? Markus Richter sagt, dass er zu 80 Prozent mit den Menschen arbeitet und nicht mit den Tieren. Der Stockdorfer zeigt im Fernsehen, wie Halter Orientierung geben und Grenzen setzen. Von Carina Seeburg


Ein kurzer Blickkontakt, eine Geste - und Jackson läuft los. Der Husky-Akita-Mischling trippelt an der Seite von Markus Richter durch den Parcours. Eine Rampe hoch und wieder hinunter. Der Hund registriert jede Aktion des Menschen - keine Frage, wer hier der Chef ist.

Markus Richter muss nicht laut werden, damit Jackson ihm folgt. Die zwei verstehen sich. Genau hier aber, beim gegenseitigen Verständnis, lägen die Probleme vieler Mensch-Hund-Beziehungen, sagt Richter, Hundecoach aus Stockdorf. "Viele Menschen verstehen ihren Hund nicht, vermenschlichen ihn, machen ihn zum Ersatz für Kinder, Partner oder Enkel. Oft wird versucht, eine Mensch-Mensch-Beziehung herzustellen." Natürlich sei der Vierbeiner auch Freund und Familienmitglied. "Das Tier darf aber nicht vergessen werden", erklärt er den Ausgangpunkt für ein glückliches Team aus Mensch und Hund.

Blaue Jeans, schwarzes T-Shirt und ein einnehmendes Lachen: Markus Richter macht kein großes Aufheben um sich - und der Hundecoach kann gut mit Menschen. Das ist wichtig, denn vor allem mit ihnen muss er auf dem Trainingsplatz arbeiten. Der Ursprung fast aller Probleme im Miteinander sei nämlich nicht beim Tier, sondern in den Verhaltensweisen ihrer Besitzer zu finden. "Ich trainiere zu 80 Prozent die Menschen, die Hunde sind nicht das Problem an der Geschichte." Sein Job sei es, den Menschen zu helfen, ihren Hund zu lesen und zu verstehen.

Die Arbeit mit Menschen, aber auch die Liebe zu Vierbeinern bestimmen seit über 30 Jahren Richters Alltag. Dass sich diese roten Fäden einmal zu einem Strang verbinden würden, kam ungeplant. Im Alter von 18 Jahren absolvierte der heute 54-Jährige in Frankfurt am Main eine Ausbildung zum Physiotherapeuten. Noch immer arbeitet Richter gerne in dem Beruf, zugleich war ihm das nie genug. In den Neunzigern war er nur an zwei bis drei Tagen der Woche als Physiotherapeut und Masseur in einer Praxis tätig. Die übrige Zeit stand Richter als Perkussionist auf Konzertbühnen. Über die Jahre spielte er in etlichen Gruppen, machte aber vor allem mit "einem Haufen zusammengewürfelter Freunde" in einer Spaß-Band Musik. Außerdem trainierte er Fußballjugendmannschaften beim FSV Frankfurt.

Wenn er etwas tut, so scheint es, dann macht er es richtig. "Fußball habe ich selbst bis in die Bezirksoberliga gespielt, später als Trainer waren wir Hessenmeister mit der B-Jugend", erzählt Richter. Und die Band, die eigentlich nur Spaß machen sollte, die machte auch Spaß, wurde aber ebenfalls immer erfolgreicher. Ein Gig folgte auf den nächsten - und dann steht Richter eines Tages der Frau gegenüber, die alles verändert. Für sie lässt der Hesse sein Frankfurter Leben zurück und zieht samt Hund nach Bayern. Jackson macht ein Nickerchen, während Richter all das erzählt. Der Hundeplatz in Gilching liegt idyllisch. Grün so weit das Auge reicht. "Hier in Bayern lässt es sich auch gut aushalten", sagt Richter. In Süddeutschland angekommen richtet er sich eine kleine Praxis zur Physiotherapie ein und steht wieder als Musiker auf der Bühne. Dann stößt 2011 Hund Najak zur inzwischen dreiköpfigen Familie und gibt seinem Leben wieder eine neue Richtung. Mit dem tierischen Neuzugang besucht Richter eine Hundeschule. Najaks Welpenkurs ist schnell absolviert, Richter selbst bleibt aber in der Ausbildung. Über ein Jahr lässt er sich zum Hundetrainer ausbilden, besucht Fortbildungen bei namhaften Experten und steht schließlich selbst als Coach auf dem Hundeplatz.

Bei der Hundeerziehung komme es nicht auf militärische Kommandos, sondern auf konsequentes Handeln an. "Man muss nicht laut werden", sagt Richter. "Führung sollte leise, authentisch und vor allem glaubwürdig und gewaltfrei sein. Der Wunsch nach Führung und Orientierung durch den Menschen ist Hunden ein Bedürfnis, denn auf diese Weise finden sie Halt und Sicherheit", sagt Richter. Zudem müssten Grenzen aufgezeigt werden. Eine Hundemutter setze ihren Welpen vom ersten Tag an Grenzen. "Bis hierhin und nicht weiter!" - Das ist eine ganz normale Ansage für einen Hund.


Der Arbeit von Markus Richter kann man seit vergangener Woche auch im Bayerischen Fernsehen zusehen. Redegewandt und unaufgeregt herzlich zeigt er sich vor der Kamera, die ihn bei der Suche nach einem neuen Zuhause für Tierheimhunde begleitet. "Das perfekte Herrchen" wird jeweils montags zur besten Sendezeit im Dritten ausgestrahlt und zeigt, wie Richter die Vorgeschichte der Tiere recherchiert und anschließend mit viel Fingerspitzengefühl das perfekte Herrchen oder Frauchen aus drei Interessierten auswählt. Als langjähriger Hundecoach erkennt Richter schnell, welche Hund-Mensch-Beziehung zum Scheitern verurteilt ist und wann es zwischen Vier- und Zweibeinern gut passt. "Die Vorgeschichte, die Rasse, der Charakter und die damit verbundenen Bedürfnisse sind entscheidend. Ein sportlicher Hund, der acht Stunden täglich im Büro liegen soll, wird nicht glücklich werden", sagt Richter. Auslastung und rassespezifische Beschäftigung seien wichtig. Das gehöre ebenso zur artgerechten Hundehaltung wie Distanz, Regeln und das korrekte Einordnen tierischen Verhaltens. "Bei manchen Menschen ist es so, dass der Hund ihnen von morgens bis abends den Spiegel vorhält. Sie müssten eigentlich nur reinschauen und würden viel über sich lernen. Das muss man nicht negativ sehen, sondern als Chance. Diesen Menschen möchte ich einfach den Schlüssel geben und ihnen den Weg zum glücklichen Miteinander zeigen", erklärt Richter sein Ziel.


Der Hundecoach steht auf, reicht die Hand zum Abschied und Jackson wacht auf. Gemeinsam queren sie den Platz, springen ins Auto und fahren davon. Die Mensch-Hund-Beziehung von Jackson und Richter - sie ist geklärt.

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